Die EU-Kommission hat nun zusätzliche Zölle auf Importe von Elektroautos aus China eingeführt, gewährt jedoch gleichzeitig eine viermonatige Schonfrist, in der eine Verhandlungslösung angestrebt wird. Der chinesische Staatsrat hat seinerseits neue Regeln zum Umgang mit Seltenen Erden angekündigt: Die Vorkommen gehören dem Staat. Die Regierung wird nun die Entwicklung der Branche beaufsichtigen. Firmen, die Seltene Erden abbauen, schmelzen, trennen oder exportieren, sollen ein System zur Rückverfolgbarkeit aufbauen. Diese Regeln treten zum 1. Oktober in Kraft. Damit verbunden ist eindeutig die Drohung, dass sich China Vergeltungsmaßnahmen auf die europäischen Zölle vorbehält.
Tatsächlich haben beide Seiten kein Interesse daran, dass es wirklich zu Zöllen und darauf folgend zu Vergeltungsaktionen kommt. Die europäische Industrie profitiert vom Handel mit China. Insbesondere die deutschen Kraftfahrzeughersteller sind in erheblichem Maße von den Gewinnen, die sie in China erzielen, abhängig. Umgekehrt hat aber auch China ein veritables Interesse daran, den Handel mit Europa nicht mutwillig zu torpedieren: China erzielte im vergangenen Jahr im Handel mit der EU einen Überschuss von 220 Milliarden US-Dollar. Das war ungefähr genau so viel wie mit allen anderen Ländern außerhalb der G7-Gruppe zusammen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die China durchlebt, ist dies ein stabilisierender Faktor, den man auch in Peking nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wird. Dies gilt umso mehr, als sich China bereits in einer Art Handelskrieg mit den USA, dem eigentlichen geopolitisch relevanten Rivalen, befindet und deshalb um die rund 340 Milliarden Dollar Handelsüberschuss mit den USA bangen muss.
Eine Lösung nur für die Frage des Umgangs mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen dürfte allerdings schwer zu erreichen sein. Die von der EU kritisierten Subventionen für chinesische Hersteller sind keine Maßnahmen, von denen China teilweise absehen könnte. Sie sind vielmehr Teil der grundlegenden Strategie der chinesischen Regierung, die darauf abzielt, in bestimmten Bereichen eine führende Position auf dem Weltmarkt zu erreichen. Dieses Ziel verfolgt China systematisch durch verschiedene Maßnahmen. Dass die chinesische Führung diese Wirtschaftspolitik aufgibt, oder grundlegend ändert ist daher unrealistisch. Denkbar wäre jedoch, dass China sich zu bestimmten Mindestpreisen für den Verkauf von Elektrofahrzeugen in Europa verpflichtet.
Weitet man den Blick über die Autoindustrie hinaus, so ist die Liste europäischer Kritikpunkte an China lang. Es sollte also denkbar sein, in Fragen von Industriespionage, Hackerangriffen oder der Ungleichbehandlung europäischer Investoren in China Zugeständnisse herauszuholen, die die EU als Erfolg verkaufen kann. Zölle und Gegenmaßnahmen würden sich dann zumindest vorerst erübrigen. Ob es tatsächlich zu einer Einigung vor Anfang November kommt, ist ungewiss. Angesichts der wechselseitigen Interessenlage ist ein bevorstehender Handelskrieg zwischen der EU und China aber nicht das wahrscheinlichste Szenario.